Annemarie Wilhelm im Interview

Interview mit Annemarie Wilhelm (AUT)

 

Nach einem kometenhaften Aufstieg 2024 folgte eine längere erkrankungsbedingte Pause, bevor Annemarie Wilhelm in der zweiten Saisonhälfte 2025 wieder in den Treppenlaufsport einstieg und beinahe nahtlos an ihre starken Leistungen anschließen konnte. Somit wird sie die Saison als beste Österreicherin knapp außerhalb der Top 10 (vermutlich Platz 13) abschließen. Wir haben sie um ein paar Einblicke in ihre Saison 2025 gebeten:

 

TRA: Nach deinem imposanten Einstieg 2024 mit zweiten Plätzen im DC-Tower, am Pyramidenkogel und im Haus des Meeres und den Sieg beim Treppenlauf auf den TNF-Turm in Linz sahen viele schon die österreichische Treppenlaufhoffnung in dir (Anm.: Die du natürlich nach wie vor bist). Doch dann folgte ein Frühling ohne Teilnahme an Treppenläufen und die wertvollen Punkte vom DC-Tower gingen wieder verloren. Was war der Grund dafür?

A.W.: Anfang April 2025 bekam ich die Diagnose Lymphdrüsenkrebs. Danach ging alles sehr schnell – danke an unser Gesundheitssystem!

 

TRA: Nach der Erkrankung warst du wahrscheinlich mit vielen Unsicherheiten konfrontiert. Wie verkraftet der Körper die Anstrengungen? Was hat dich bestärkt wieder in den Wettkampfsport einzusteigen? Konntest du Kraft aus deinem zurückliegenden „Kampf“ ziehen? Hast du dadurch einen neuen Blickwinkel gewonnen?

A.W.: Mit der Diagnose kamen unzählige Gedanken. Für mich war jedoch von Anfang an klar: Ich werde das Durchstehen. Dabei hat mir Bewegung, wenn auch in reduzierter Form, während der Therapie sehr geholfen und mir Kraft wie auch Zuversicht gegeben.

An sich habe ich mich schon immer gerne mit anderen gemessen. Umso dankbarer bin ich, dass ich das wieder machen kann. Durch diese Phase ist mir bewusst geworden, dass ich zu deutlich mehr fähig bin, als ich mir selbst lange zugetraut habe. Jeder von uns sollte mehr an sich glauben.

Heute hat jeder Wettkampf einen besonderen Stellenwert für mich – allein die Tatsache, wieder an der Startlinie stehen zu dürfen, ist nicht selbstverständlich.

 

TRA: Der Wiedereinstieg in der zweiten Saisonhälfte ist aus Wettkampfsicht geglückt. Immer in den Top 4 mit Siegen in Brünn, Linz und Bratislava und Bukarest. Wie fühlt sich das für dich an?

A.W.: Es fühlt sich ehrlich gesagt unglaublich an. Ich bin extrem dankbar, dass mein Körper das alles so gut verkraftet hat. Dass bereits im Herbst wieder solche Leistungen möglich sind, hätte ich mir niemals erträumt.

 

TRA: Wo siehst du, bezogen auf die Wettkampfdauer, deine Stärken im Treppenlaufsport?

A.W.: Vor der Diagnose dachte ich, dass mir vor allem die längeren Läufe mit über 1.000 Stufen liegen würden. Aktuell merke ich jedoch, dass mir dafür noch die Ausdauer fehlt. Derzeit sehe ich meine Stärken klar in den mittleren Distanzen, etwa zwischen 400 und 800 Stufen.

 

TRA: Wie wichtig sind dir deine Wettkampferfolge? 

A.W.: Für mich zählen vor allem die Teilnahme, das Bewältigen und dass ich mein Bestes gebe. Alles darüber hinaus – Platzierungen, Siege, Ranglistenpunkte – ist Zugabe.

 

TRA: Schaust du regelmäßig auf die Weltrangliste?

A.W.: Ich werfe einen Blick drauf, aber sie steht nicht im Mittelpunkt. Der Fokus liegt auf meiner eigenen Leistung und Entwicklung und darauf, Schritt für Schritt wieder zu meiner alten Form zu finden.

 

TRA: Basierend auf deinen bisherigen Leistungen hättest du sicher das Potential in den Top 5 der Weltrangliste zu landen. Dafür wird es wahrscheinlich nötig sein, zu hoch bewerteten Wettkämpfen in Asien zu reisen. Wie sieht es mit deinen Plänen dahingehend aus?

A.W.: Danke für das Vertrauen. Eine Reise nach Asien wird sehr wahrscheinlich kommen. Für 2026 habe ich es mir bereits vorgenommen. Konkrete Wettkämpfe sind aber noch nicht fixiert.

 

TRA: Gibt es Läufe, die dich besonders reizen und an denen du gerne noch teilnehmen würdest?

A.W.: Es gibt viele spannende Rennen, aber mein nächstes großes Ziel ist das Empire State Building zu erklimmen.

 

TRA: Dein Partner Daniel Weißenböck nimmt auch sehr erfolgreich an Treppenläufen teil. Wie sehr puscht ihr euch gegenseitig? Gibt es manchmal kleine partnerschaftliche Wettkämpfe?

A.W.: Daniel und ich gehen Treppenläufe sehr unterschiedlich an: Er legt sie eher taktisch an und ich laufe einfach darauf los. Wir freuen uns ehrlich über die Leistungen des jeweils anderen, ohne uns gegenseitig unter Druck zu setzen. Kleine Wettkämpfe stehen dabei nicht im Vordergrund – vielmehr sind wir stolz aufeinander, wenn jeder von uns das Beste aus sich herausholt.

 

TRA: Welchen Stellenwert hat der Treppenlaufsport deiner Meinung nach im Sportbereich? Was sind deine Gründe, dass du diesen Sport betreibst? Siehst du noch Potentiale, die man besser ausschöpfen könnte?

A.W.: Der Treppenlauf ist aktuell definitiv noch eine Randsportart. Der große Vorteil ist, dass man keine spezielle Ausrüstung benötigt. Die größte Herausforderung liegt aber in den fehlenden Trainingsmöglichkeiten, da Hochhäuser und Stiegenhäuser meist nicht zugänglich sind.

Potential ist meiner Meinung nach vorhanden: Mit eigener Kraft ein Gebäude zu erklimmen und anschließend den Ausblick zu genießen, ist etwas ganz Besonderes. Und das ist auch ein Grund, warum ich den Treppenlauf für mich entdeckt habe.

 

TRA: Was werden wir 2026 von dir sehen? Setzt du dir spezielle Ziele?

A.W.: Ich hoffe, wieder zu meiner alten Form zurückzufinden. In einzelnen Rennen gelingt mir das bereits, allerdings fehlt noch die Konstanz und die Ausdauer für längere Distanzen. Mein Ziel für 2026 ist, zumindest unter die Top 10 zu kommen und vor allem gesund zu bleiben.

 

 

 

TRA: Vielen Dank!

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